Immer dann, wenn alle das graue Wetter satt haben, dominiert gemeinhin die Taktik sich in warme Länder, Strandliegen und Sonnenbäder zu flüchten oder wenigstens davon zu träumen. Melis Umgang mit trüben Tagen folgte im letzten Winter dem Motto „Jetzt erst recht!“. Und so ging die Reise nach Schottland, ein Land in dem schlechtes Wetter einfach auch mal dazu gehört.
Wind, Regen, gern auch Sturm und eher in Graustufen gefärbte Natur – bei diesem Gedanken schüttelt es euch? Nun stellt euch aber vor, wie gemütlich ein Pub voller zu Gitarre singender Schotten, Kaminfeuer, eine heiße Schokolade im kleinen Café und mit Blick auf eine sagenhafte Altstadt sein können.
Willkommen in Schottland, dem Land, in dem schlechtes Wetter einfach auch mal dazu gehört. Also warm anziehen und rausgehen, denn Stadt und Natur müsst ihr gesehen haben.
Edinburgh: wie aus einer anderen Zeit
Edinburgh ist schnell zu erreichen und der Flug ist nicht einmal teuer. Wir packten also etwas Handgepäck und flogen ab Schönefeld Richtung Atlantik. Freitag nach Feierabend los, Montag möglichst spät zurück und vor Ort so viel es geht sehen dank Mietwagen. Unsere Besuche im südlichen Irland klappten so ja auch immer ganz wunderbar. Vorweg kann ich schon mal sagen, dass es sich natürlich lohnen würde länger zu bleiben. Um nun aber einen ersten Eindruck von Land und Leuten zu bekommen, planten wir Edinburgh, die Highlands, Loch Ness, möglichst viele Pub Besuche und den alljährlichen Atlantikbesuch – denn hier kann man sichs schlechtwettertechnisch so richtig geben – ein.
Vielleicht lag es an unserer Führung durch Edinburghs Untergrund mit jeder Menge mittelalterlicher Gruselgeschichten – dazu später mehr – oder doch einfach an den tollen Gebäuden aus dunklem Stein, der oft von den umgebenden Erhebungen stammt, aber Edinburgh hat eine unglaubliche historische Ausstrahlung und altertümlichen Charme. Bestens passen hier natürlich die zahlreichen Pubs ins Bild, in denen seit je her das Volk zusammenkam, trank, aß und sang. Es macht besonders Spaß die Altstadt zu entdecken, denn keine Straße gleicht hier der anderen und alles ist fußläufig erreichbar. Sollte es euch doch zu kalt sein, könnt ihr auch aus dem Doppelstock-Bus heraus vieles sehen und viele Pausen solltet ihr sowieso in gemütlichen Cafés einlegen. Wir waren also bereit uns der Herausforderung zu stellen: Edinburgh in 24 Stunden durchqueren und erleben!
Unserer Entdeckungstour Schritt für Schritt
Also von vorn: Wir kamen zu dritt über Glasgow ins Land und das hatte einen ganz simplen Grund – es war etwas billiger. Der Flieger geht von Berlin aus natürlich auch direkt nach Edinburgh und ebenso Gabelflüge sind möglich. Letztere Variante hängt natürlich auch von euren Plänen einen Mietwagen zu buchen ab, denn ihr solltet ihn möglichst wieder dorthin zurück bringen, wo ihr ihn geliehen habt.
In Edinburgh angekommen, kamen wir, also Guido, Anne und ich, in einem Appartement im Stadtteil Dalry unter. Der Bahnhof Haymarket und ein Lidl waren praktischerweise in fußläufiger Nähe und öffentliche Verkehrsmittel sowie Proviant für lange Autofahrten damit sichergestellt. Die Lage ist deswegen gut, weil man hier ruhig wohnt, aber schnell im Zentrum ist. Wir stiegen in den Bus direkt vor der Tür und waren 15 Minuten später in der London Road.
Unser Plan war es, von Ost nach West zu spazieren und dabei zunächst einen kleinen Überblick zu bekommen. Wir liefen also den Calton Hill hinauf und spürten dank ordentlicher Windstärken schon, dass die Küste nicht weit sein kann. Mit etwas mehr Zeit und schönem Wetter sei wohl auch der wesentlich größere Hollyrood Park mit dem Arthur Seat als Erhöhung zu empfehlen. Wir hatten hier auch eine recht hübsche Aussicht und genossen die romantische Parkanlage mit dem griechisch anmutendem National Monument und dem Nelson Monument. Wir schlenderten weiter.
Auf dem Weg in Richtung Edinburgh Old Town stoppte uns der Eingang zu einem kleinen Friedhof.
Schon nach den ersten Stunden in dieser, immer wieder leicht regenverhangenen Stadt, steckte mich das mystische Flair an. Anne und Guido konnten gar nicht so schnell gucken und bekamen es erst gar nicht mit, dass ich in den kleinen Eingang in der Steinmauer am Waterloo Place verschwand. Sicherlich gäbe es einiges Wissenswertes zu erfahren über die Soldaten und Gelehrten, die auf dem Old Calton Burial Ground bestattet wurden. Ehrlicherweise war unser spontaner Besuch jedoch eher den kreativen Bauten und Fresken des Friedhofs gewidmet.
Da ein ordentlich heulender Wind die Stimmung perfekt machte, uns aber ziemlich durchkühlte, suchten wir nun einen möglichst nahe gelegenen Kaffee-Stopp, um aufzutauen. Rabbie’s Cafe Bar war nicht nur gemütlich, unser kleiner Fensterplatz machte uns dank schönem Ausblick auch gleich Lust auf die bevorstehenden Gassen und Winkel zwischen imposanten Steinbauten.
Edi’s Altstadt: Lasst euch treiben und führen!
Recht schnell waren wir also mittendrin und näherten uns der Princess Street folgend dem Scott Monument sowie den Princes Street Gardens am Fuße des Edinburgh Castles. Das Scott Monument kann man wirklich nicht verfehlen, denn dem Schriftsteller Sir Walter Scott wurde mit mehr als 60 Meter Höhe gedenkt, die ihr übrigens auch erklimmen könnt. Die Aussicht soll fantastisch sein. Der Blick auf den erhöht stehenden Prachtbau und die Straßenzüge auf der anderen Seite des Parks ist auch vom Boden aus, dank der hügeligen Landschaft, die auch die Architektur in Edinburgh prägt, wirklich einmalig. Kleine Gassen und überraschende Treppengänge dienen dazu zwischen den mittelalterlichen Gebäuden zu spazieren – ganz nach meinem Geschmack.
Auf unserem Weg über die Playfair Steps – einem hübschen Fußgängerweg, der zwischen Parkanlage und Scottish National Gallery in die südliche Altstadt führt – folgte für uns daher wie automatisch der Gang durch den Milne’s Court. Auf diese Weise landeten wir direkt auf der Royal Mile mit Blick auf die in viktorianischem Stil erbaute ehemalige Kirche The Hub und schlugen den niedlichen Kopfsteinpflaster-Weg Castle Hill hinauf ein. Wir waren zugegebener Maßen Kulturbanausen und entschieden uns zu Masse statt Klasse und damit gegen die Besichtigung der Castles. Wir wollten lieber so viel wie möglich in kurzer Zeit sehen. Dennoch sind die Kronjuwelen als ganzer Stolz Schottlands sicherlich sehenswert und es gibt allerhand royale Räume zu entdecken.
Auf dem Vorplatz Esplanade kann man außerdem traditionellen, musikalischen Darbietungen während des alljährlichen Royal Military Tattoo (Musikfestival) erleben, welches im Rahmen des Edinburgh Festivals im August stattfindet.
Auf den Spuren von J. K. Rowling
Ein ebenso interessantes Stück Geschichte verbirgt sich noch zusätzlich hinter den Burgmauern: The Stone of Destiny, ein Relikt der Schottischen Krönungsgeschichte. Ein bisschen erinnerte mich der Name an die Harry Potter Geschichten (der Stein der Weisen, der Stein der Wiederauferstehung) wo doch sowieso schon alles so nach Hogwards aussah. Ich recherchierte etwas und siehe da – J.K. Rowling schrieb an Potters Abenteuern während sie in Edinburgh lebte und lies sich von so einigen Details der Stadt inspirieren. Neben dem Spoon Café, in dem sie mit „Der Stein der Weisen“ begann, gibt es auch das heute sehr berühmte Elephant House, ein Café, in dem Rowling mit Blick auf das Castle und dem Friedhof Greyfriars Kirkyard schrieb und schrieb und schrieb.
Der Friedhof selbst stellte übrigens ebenso eine ungewöhnliche Ideenquelle dar. Hier liegt nämlich ein gewisser Herr Tom Riddell (wie Voldemords alter Ego bei Rowling) begraben und auch ein Herr McGonagall (Name einer Lehrerin in Hogwards) wurde verewigt. Unweit dessen findet ihr außerdem die noble George Heriot’s Schule, die mit ihren vier Türmen und vier Häusern vorbildgebend für Hogwards gewesen sein soll. Auf dem sogenannten Potter Pfad durch die Stadt oder mit speziellen Führungen kommen die Fans unter euch natürlich noch mehr auf ihre Kosten.
Auch wenn wir uns nicht schon wieder auf einem Friedhof herumdrücken wollten, folgten wir nun in seine Richtung dem berühmten Grassmarket, eine für historische Gebäude und kleinen Läden bekannte Straße. Dem einstigen Marktplatz sowie Hinrichtungsstätte und heute Mittelpunkt der Altstadt näherten wir uns über beschauliche Gässchen. Wir stiegen die Castle Wynd hinunter und folgten kurz der Johnston Terrace, um auf die Victoria Terrace abzubiegen. Zufällig bekamen wir einen der schönsten Ausblicke geboten, denn dieser Weg führt direkt über den Dächern der kleinen Läden in der Viktoria Street, der wir anschließend bis zum Grassmarket und dem Cowgate folgten.
Wir rieben noch schnell an der Nase der Greyfriars Bobby Statue (ein legendärer Hund mit besonderer Treue über den Tod seines Besitzers hinaus), denn das soll Glück bringen und stärkten uns im hippen Restaurant Checkpoint (Bristo Place) bei leckeren Scones und Kuchen. Diese Gegend bietet unglaublich gute Restaurants und natürlich jede Menge Pubs, weswegen wir auch später noch einmal wiederkamen.
Unter Brücken und in Closes
Auch entlang der George IV Bridge beeindruckte uns die Architektur, eigentlich egal wo wir hinsahen: diese Stadt war einfach schön. Man kann es nicht anders sagen. Mein persönliches Highlight folgte nun mit Treffpunkt am Mercat Cross. Wir trafen die einst aus Deutschland ausgewanderte Lydia, die passend zu unserer bevorstehenden Führung einen schwarzen Kapuzenumhang trug. Wie der Name schon vermuten lässt, war Mercat Cross mal ein Marktplaz und Ort für öffentliche Kundgebungen, darunter auch Akte der Bestrafung an Rechtswidrige.
Nach den ersten Mythen aus alten Zeiten, tauchten wir zusammen mit Lydia in Edinburghs dunkle Seite ab und hörten Geschichten aus den Zeiten von Hinrichtungen und Folter und lernten die zwielichtigen Gegenden des Mittelalters kennen. Unsere Gruselführung begann am frühen und überraschend sonnigen Abend auf der Royal Mile, bevor wir dann in den Untergrund folgten. Wir durchstreiften wieder kleine dunkle Gassen – die Closes (engl. close = eng) – genauer gesagt die Advocates Close und die Borthwick‘s Close.
Eine Kanalisation gab es in Edinburgh erst recht spät. Entsprechend landete der Unrat auf den Straßen. Man kann sich folglich vorstellen, dass es in dieser hügeligen Stadt in den niedrig gelegenen Vierteln sehr ungemütlich werden konnte. Wer arm war, wohnte in den Gegenden in die regelmäßig mit dem Regen all der Unrat floss. Da aber auch die besser situierten Bürger gelegentlich in den zwielichtigen Ecken „zu schaffen“ hatten, musste ein Weg gefunden werden, durch den die guten Schuhe nicht schmutzig werden. Es entstanden Brücken und unter ihnen Gewölbe mitten in der Stadt. Diese immer wieder durch verschiedene Gewerbe genutzten Katakomben besichtigten wir mit Eingang in der Blair Street. Lydia verschaffte uns dann mit ihren Geistergeschichten und Kerze in der Hand die zu meiner Stimmung passende, wohlige Gänsehaut. Als wir wieder auf die Straße traten, war es bereits dunkel.
Der Tag in Edinburgh neigte sich nun dem Ende zu. Den Abend verbrachten wir fröhlich bei Gitarrenmusik im Pub und zogen den Grassmarket entlang nach Hause.
24 Stunden Edinburgh – mein Fazit
24 Stunden in Edinburgh? Machbar! Ich kann eine ganz klare Empfehlung für einen Tag in Edinburgh aussprechen, doch muss auch zugeben: Unsere Füße taten nun auch weh und selbst wenn es noch so viele Altstadt-Gassen zu sehen gab, wir mussten irgendwann einfach ins Bett. Jedem der mehr Zeit in Edinburgh einplant, empfehle ich an weiteren Führungen zur Historie teilzunehmen und neben dem Dean Village (einem romantischen Viertel entlang des River Leith) auch die Neustadt sowie die zahlreichen Parks zu besichtigen. Wenn wir wieder in der Stadt sind, stehen diese Dinge auf jeden Fall auf unserer Liste.
Der zweite Tag unserer kleinen Schottland Rundreise stand nun ganz im Zeichen der Natur und statt zu laufen, wollten wir nun unseren Mietwagen nutzen, um von Ost nach West zu fahren.
Ob wir im zweiten Teil unserer Reise auch Nessie trafen und was man sich unter den „Highlands“ vorstellen kann, lest ihr in meinem nächsten Beitrag. Und dann sind wir auch wirklich wieder am Atlantik.